The Alchemy of the Piano

Facts

Music documentary, 90 min, 2024

Directed by Jan Schmidt-Garre

With Francesco Piemontesi


—— Theatrical release in Germany: 14 November, 2024 ——

Special performances in the presence of the artists:

• Lucerne, August 24, 16:00, Stattkino (Jan Schmidt-Garre)
• Locarno, September 5, 19:00, Palacinema (Francesco Piemontesi, Jan Schmidt-Garre)
• Berlin, October 4, 18:00, Cosima Lichtspiele (Eldar Nebolsin, Francesco Piemontesi, Jan Schmidt-Garre)
• Frankfurt, October 9, 17:30, Mal seh‘n Kino (Francesco Piemontesi)
• Munich, November 14, 18:00, Neues Rottmann (Yulianna Avdeeva, Jan Schmidt-Garre)
• Hannover, November 17, 11:00, Raschplatz (Jan Schmidt-Garre)
• Hamburg, November 17, 17:00, Abaton (Jan Schmidt-Garre)
• Bonn, November 24, 13:30, Rex (Jan Schmidt-Garre)
• Dresden, February 8, Zentralkino (Francesco Piemontesi, Jan Schmidt-Garre)
• Hamburg, March 25, Abaton (Francesco Piemontesi)

When the pianist Francesco Piemontesi heard an unreleased recording of the pianist and composer Sergei Rachmaninoff, it came as a shock to him. The freedom of his playing, the colours and nuances, the virtuosity, which is always presented with a smile, overwhelmed him. He decided to explore what he thought he was hearing here: the alchemy of the piano.

Together with director Jan Schmidt-Garre, Piemontesi embarked on a journey to older colleagues who could give him information about these secret elements of piano playing. He travelled to Maria João Pires in Spain, to Jean-Rodolphe Kars in a French monastery and to Stephen Kovacevich in London. He was inspired by the opera singer Ermonela Jaho to sing on the piano and by conductor Sir Antonio Pappano to transfer the colours of the orchestra to the piano. Finally, he visited his old teacher and mentor Alfred Brendel. And even Rachmaninoff, who died in 1943, is suddenly very much alive again...

Compositions by Rachmaninoff, Debussy, Schubert, Beethoven, Fauré, Cilea, Puccini, Chopin, Messiaen, Verdi and Mendelssohn.

Sergei Rachmaninoff: Eldar Nebolsin
Also starring: Yulianna Avdeeva, Zlata Chochieva, Erwin Stürzer
Cinematography: Diethard Prengel
Sound recording: Clémence Fabre
Sound mix: Eberhard Weckerle
Set design: Sascha Groß
Animations: Daniel Bäß
Colour grading: Jakob Wehrmann
Editor: Sarah J. Levine
Commissioning editor Arte: Monika Lobkowicz
Commissioning editors BR: Grete Liffers, Theresa März
Commissioning editors ORF: Adriana Thunhart, Karin Veitl
Producers: Marieke Schroeder and Jan Schmidt-Garre
Director: Jan Schmidt-Garre

A PARS Media production
In co-production with Bayerischer Rundfunk, the Serge Rachmaninoff Foundation and ORF
In collaboration with Arte, NRK, RSI, SRF, SVT and Naxos Audiovisual
With support from FFF Bayern and the Funk Stiftung


Videos

Ermonela Jaho and Francesco Piemontesi perform Ermanno Wolf-Ferrari‘s » Quando ti vidi a quel canto apparire «, Berlin, Nov 20, 2023


Maria João Pires plays Debussy‘s » Clair de lune «, Auditorio Hernan Naval, Ribadeo, Aug 15, 2023


Jean-Rodolphe Kars and Francesco Piemontesi play Ravel‘s Concerto in G, Paray-le-Monial, April 11, 2023


Maria João Pires plays Schumann‘s » Träumerei «, Auditorio Hernan Naval, Ribadeo, Aug 15, 2023


Press

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Mischa Kreiskott, NDR, 12.11.24
Ein Film, mit dem es sich tief eintauchen lässt in das Wesen schöpferischer Interpretation auf dem Klavier.

Kirsten Liese, Filmdienst, Nov. 24
Eine Karriere als Pianist ist angesichts der großen Konkurrenz ein schwieriges Unterfangen. Was zeichnet einen wirklich bedeutenden Interpreten aus? Womit hebt er sich von der Masse ab? Warum berührt die Wiedergabe des einen, die eines anderen dagegen weniger oder gar nicht?
Der Filmemacher Jan Schmidt-Garre, der sich der klassischen Musikwelt schon mit zahlreichen anspruchsvollen Produktionen empfohlen hat, darunter das tiefgründige Porträt des Dirigenten Sergiu Celibidache » Man will nichts – man lässt es entstehen «, ist der richtige Mann, um sich solchen komplexen Fragen zu widmen. Dennoch war er gut beraten, die Auswahl der Künstler sowie die Begegnungen und Interviews dem im Konzertbetrieb gut vernetzten Pianisten Francesco Piemontesi zu überlassen. So entstanden höchst aufschlussreiche Gespräche auf Augenhöhe, die ohne Fachsimpelei auskommen, da Piemontesi und seine Dialogpartner am Flügel demonstrieren, worüber sie reden.
Das braucht es auch, um musikalische Laien mitzunehmen. Auf seiner Reise durch verschiedene Länder versammelt Piemontesi Größen wie Alfred Brendel, Maria João Pires oder den Dirigenten Antonio Pappano vor der Kamera, aber auch international weniger bekannte Kollegen, die den Film mit ihrem Wissen, ihren Weisheiten und Erfahrungen stark bereichern.
Schon in den ersten Sequenzen vermittelt sich, dass das, wovon sich viele oft beeindrucken lassen, großes technisches Können, Virtuosität oder schnelles und lautes Spiel mit viel Tastendonner, keineswegs das ist, worauf es ankommt. Was die erlesenen Wiedergaben der Pianisten eint, ist ihr empfindsames, seelenvolles Spiel. Das trifft insbesondere auf Kompositionen des in der Klavierwelt so beliebten Komponisten Sergej Rachmaninow zu, der hoch virtuose Werke geschrieben hat, mit denen Pianisten gerne ihr Können unter Beweis stellen. Er bildet in » Die Alchemie des Klaviers « den Dreh- und Angelpunkt.
Rachmaninows Villa am Vierwaldstätter See ist einer der schönsten Orte, angesichts deren malerischer Umgebung der Film hier und da zu einem leinwandtauglichen Erlebnis wird. Vor allem eine historische Aufnahme aus dem Jahr 1940, auf der Rachmaninow seine Sinfonischen Tänze auf dem Klavier spielt und einem befreundeten Dirigenten erklärt, worum es in der Musik geht, hat Piemontesi und Schmidt-Garre inspiriert.
Die reizvolle Idee, die lediglich als Tonaufnahme existierende Einspielung mit Rachmaninow mit einem anderen, ähnlich aussehenden Pianisten in Schwarz-weiß nachzuinszenieren, setzt der Film mit großer Raffinesse um. In dem Klavierprofessor Eldar Nebolsin von der Berliner Hanns Eisler Musikhochschule fand man einen idealen Darsteller, auch wenn man ihn nur von hinten sieht. Nebolsin simuliert das Stück so gekonnt am Flügel, dass die Sequenz geradezu authentisch wirkt und auch noch synchron mit der originalen Tonspur ist. Selbst bei einer Nahaufnahme ist man sich nicht sicher, wessen Hände man da sieht.
Filmisch ambitioniert ist auch der Umgang mit anderen Zutaten, die beim Musizieren eine entscheidende Rolle spielen. In einer Animation werden sie mit dem Zeichenstift in Anspielung auf den Titel in der Küche eines Alchemisten zusammengetragen: Körper, Klang, Farbe, Bilder, Form und Stimme.
Das klingt als Aufzählung etwas simpel, doch die Protagonisten tragen dazu wesentliche Details bei. Etwa wie sich der Klang subtil verändert, je nachdem, ob man mit runden, gekrümmten Fingern spielt oder mit flachen, gestreckten. Der französische Pianist Jean-Rudolphe Kars erläutert an ausgewählten Stücken von Olivier Messiaen exemplarisch, wie er die passenden Tonfarben über spirituelle und religiöse Bilder findet.
Dass sich zu einem Klavierstück ebenso Worte finden lassen, um ihm wie in der vokalen Musik den passenden Ausdruck zu geben, erläutert Antonio Pappano an seinem Klavier, wenn er Arien aus Puccinis Opern » Tosca « und » La Bohème « mit Balladen von Chopin in Beziehung setzt.
In einer der schönsten Szenen gibt es ein Wiedersehen mit Alfred Brendel, der vor allem für seine Maßstäbe setzenden Schubert-Interpretationen berühmt ist. Es gehört schon viel dazu, unter Brendels wachsamen Ohren Schuberts B-Dur-Sonate zu spielen, wie es Piemontesi hier tut, der in Brendel in früheren Jahren einen wichtigen Mentor und Lehrer fand. Der mittlerweile 93-jährige Brendel hat nahezu in jedem Takt so Wesentliches zu sagen, dass man ihm gebannt zuhört. Eine Unterrichtsstunde mit ihm wäre eigentlich ein Film für sich allein.

Max Nyffeler, Frankfurter Allgemeine, 18.11.24
Aus Sicht des Publikums ist die Sache einfach: Der Pianist setzt sich ans Klavier, greift in die Tasten und bringt ein Werk zum Erklingen. Doch was sich hinter der Wahrnehmungsoberfläche abspielt, welche komplexen Vorgänge der klanglichen Realisierung vorangehen, bleibt dem Hörer verborgen. Der Film » Die Alchemie des Klaviers « von Jan Schmidt-Garre leuchtet die Hintergründe aus und findet dabei in Francesco Piemontesi, einem führenden Pianisten der mittleren Generation, einen erstklassigen Gewährsmann. In locker geführten, aber punktgenau fokussierten Werkstattgesprächen mit befreundeten Musikern legt Piemontesi den innersten Kern des pianistischen Handwerks frei, und je tiefer der Film in die Materie hineintaucht, je subtiler die Erkenntnis ausfällt, desto klarer wird: Es bleibt ein Rest, der sich dem begrifflichen Verständnis und bewussten Wollen entzieht. Oder, wie es im Zitat von Sergej Rachmaninow heißt, das am Schluss auf Schwarzfilm eingeblendet wird: » In jedem guten Klavierspiel gibt es einen Lebensfunken, der aus der Aufführung eines Werks eine lebendige Gestalt macht. Er existiert nur im Augenblick und ist unerklärlich. «
Rachmaninow und seine Villa Senar am Ufer des Vierwaldstätter Sees nahe Luzern bilden den Anker für die weitreichenden Erkundungen. Yulianna Avdeeva und Zlata Chochieva beschwören mit ihrem Spiel auf Rachmaninows Flügel die magische Atmosphäre des Orts, und Piemontesi spricht vom Eindruck, den Rachmaninows Interpretation der Symphonischen Tänze auf dem Klavier auf ihn gemacht habe. Die suggestive Art seines Spiels habe ihn wie ein Blitz getroffen und bewogen, dieser Alchemie einmal auf den Grund zu gehen. 1940 hatte Rachmaninow die Tänze dem Uraufführungsdirigenten Eugene Ormandy probeweise vorgespielt. Die geräuschreiche, auf Azetatplatte festgehaltene Aufnahme, in der auch die Stimmen der beiden zu hören sind, erklingt in einer filmischen Rekonstruktion der Szene als Original-Soundtrack.
In sechs Themenkomplexen mit den Stichworten Körper, Klang, Bilder, Stimme, Farbe und Form umkreist der Film die grundlegende Frage des Klavierspiels: Wie können mit diesem Instrument in Form eines Möbelstücks, das mit seiner Hammermechanik eigentlich ein Perkussionsinstrument ist und vom Spieler nur mit den Fingerspitzen berührt wird, überhaupt menschliche Gefühle und Gedanken ausgedrückt werden? Anders als die Streicher, die ihr Instrument eng am Körper halten, anders auch als die Bläser, die den Klang durch den Atem erzeugen und formen, muss der Pianist auf unzählige Ersatzstrategien zurückgreifen, um dem mechanisch erzeugten Klavierklang Leben einzuhauchen. Er bildet mit seiner Imagination Ausdrucksformen aus anderen musikalischen Bereichen nach. Sein Spiel hat letztlich etwas Allegorisches.
Virulent ist das Problem beim Spielen einer melodischen Linie. Die Inspiration durch Gesang ist hier naheliegend. Antonio Pappano, als Pianist ebenso versiert wie als Dirigent, demonstriert am Klavier im Gespräch mit Piemontesi, wie aus der simplen Tonfolge bei » Che gelida manina « in Puccinis » La Bohème « eine ausdrucksstarke Melodie wird (» Man kann hier malen! «), und bringt auf ebenso bezwingende Art die melodischen Qualitäten in Chopins Ballade in g-Moll zur Entfaltung. Er rät, die Orchesterfarben auf dem Klavier nachzuempfinden, und beruft sich dabei auf seinen Mentor Barenboim: » Du musst die Klänge wollen, dann kommen sie. « Wie diese Autosuggestion auf die reale Klanggestalt überspringen kann, gehört zu den Geheimnissen des Musikmachens.
Die mobilisierende Kraft der inneren Vorstellung tritt im musikalischen Dialog zwischen Piemontesi und der albanischen Sopranistin Ermonela Jaho unverstellt zutage. Das Legato, Kennzeichen vollendeter Melodiegestaltung, assoziiert sie mit der Idee, dass etwas nie enden soll, das Pianissimo in höchster Lage erreicht sie, indem sie sich den Hauch des Atems, nicht den materiellen Klang vorstellt – für Pianisten eine ebenso inspirierende wie schwer umsetzbare Vorstellung. Hochgradige Vergeistigung spricht aus den Ausführungen von Jean-Rodolphe Kars, der seine Pianistenkarriere aufgab und sich mit 39 Jahren zum Priester weihen ließ. Beim Besuch im burgundischen Kloster diskutiert Piemontesi mit ihm über die Macht der Bilder beim Klavierspiel. Mit dem ersten Nocturne von Gabriel Fauré assoziiert Kars zum Beispiel den 1. Johannesbrief: Wir verkünden euch das ewige Leben. Eine Vorstellungswelt, die seinem Spiel Farbe und Tiefe verleiht.
Der in London lebende Stephen Kovacevich, dessen Klangempfinden Piemontesi als einzigartig einstuft, demonstriert eine frappierende technische Methode, den Klang zu modifizieren. Eine Melodie klingt anders, wenn sie nicht mit gekrümmten, sondern gestreckten Fingern gespielt wird. » Man hat mehr Fleisch auf den Tasten «, sagt Kovacevich und spielt dazu den mit » Gesangsvoll, mit innigster Empfindung « überschriebenen dritten Satz aus Beethovens Sonate op. 109. Mehr assoziativ argumentiert dagegen Alfred Brendel, einer der Lehrer Piemontesis, wenn er vom interpretatorischen Zugang zu einem Werk spricht. Er stellt sich beim Kopfsatz von Schuberts später B-Dur-Sonate einen Klang vor, bei dem die persönlichen Emotionen zugunsten einer überindividuellen Sicht zurückgenommen werden.
Maria João Pires betont die Rolle des Körpergefühls und zeigt, wie wichtige, kaum wahrnehmbare Impulse im Rücken entstehen und mit dem musikalischen Ausdruck verschmelzen. Die Finger sind nur noch die letzten Ausläufer dieser verinnerlichten Bewegungsabläufe, die die Musik unbewusst, aber nachhaltig prägen. Die schmächtige Pianistin fragt: Wozu machen wir eigentlich das Ganze? Die pianistische Arbeit sei extrem anstrengend, und das Leben sei doch schon schwer genug. Den künstlerischen Geheimnissen, denen dieser erkenntnisreiche Film nachspürt, fügt sie damit ein weiteres hinzu.

Katharina Granzin, taz, 15.11.24
Sergej Rachmaninow (1873–1943) komponierte nicht nur großartige Musik für Klavier, er war auch ein herausragender Pianist. Als der Pianist Francesco Piemontesi (*1983) eine private Tonaufnahme von 1940 hört, bei der Rachmaninow seine „Symphonischen Tänze“ spielt, ist er wie elektrisiert von dessen Vortrag und steckt den Regisseur Jan Schmidt-Garre mit seiner Begeisterung an. Eine gemeinsame Projektidee entsteht: Wie wäre es, mit filmischen Mitteln der komplexen Alchemie des Klavierspiels auf die Spur zu kommen?
Das Ergebnis ist ein schönes musikalisches Roadmovie, in dem die Kamera Piemontesi quer durch Europa zu zeitgenössischen PianistInnen begleitet. Bei jedem Besuch steht jeweils ein anderer Aspekt des Klavierspiels im Vordergrund. Angefangen beim „Körper“ der Portugiesin Maria João Pires. Sie bewege sich kaum beim Klavierspielen, dennoch sei ihr gesamter Körper daran beteiligt, sagt Piemontesi zu ihr. Pires stimmt zu und demonstriert, wie sie etwa in manchen Passagen ganz ins Instrument hineingeht. Es gebe Leute, die dächten, man müsste viele Übungen mit den Händen machen, sagt sie, aber „letztlich brauchen Sie die Hände gar nicht wirklich «, das wäre ja, als würde man ein Auto nur mit dem Gaspedal fahren! – Das ist natürlich eine rhetorische Übertreibung, denn als Spitzenpianistin hat sie leicht reden.
Sowieso kann selbstverständlich auch Pires’ Spiel nicht auf die Zutat „Körper“ reduziert werden. Die Zerlegung des Untersuchungsgegenstands in unterschiedliche Aspekte ist vor allem ein dramaturgisches Konzept, das hilft, seine Komplexität nachzuvollziehen. Gewährsmann für die alchemistische Zutat „Klang“ – und für die Rolle der Finger beim Klavierspiel – ist US-Pianist Stephen Kovacevich, den Piemontesi in London besucht. Kovacevich demonstriert, welche Wirkung es haben kann, nicht mit gerundeten, sondern mit flachen Fingern zu spielen, und lässt den mit dieser Technik leicht fremdelnden jüngeren Kollegen den Unterschied selbst ausprobieren.
Dass in diesem Film ein Konzertpianist unterwegs ist, um KollegInnen zu interviewen, verwirft das übliche Beziehungsmuster zwischen fragender und befragter Person und ersetzt beziehungsweise ergänzt es durch eine andere narrative Ebene: Der Interviewer kann die Rolle eines Schülers annehmen oder auch ein Duopartner werden, wie in der berührenden Begegnung zwischen Piemontesi und dem in Frankreich lebenden, seit vielen Jahren nicht mehr auftretenden Jean-Rodolphe Kars. Er gab seine Konzertkarriere auf, um katholischer Priester zu werden. „Bilder“ heißt die Zutat im Falle von Kars, der einem verstimmten Klavier eine sehr beseelte Version der ersten Nocturne von Gabriel Fauré entlockt und erläutert, welche Textstelle aus dem Johannesevangelium sich in seiner Vorstellung mit dieser Musik verbindet. Das Element „Form“ wird Alfred Brendel zugeteilt, was ein bisschen ungerecht erscheint, aber doch ganz gut passt auf die Schubert-Klavierstunde, die Piemontesi für den Film wieder bei seinem Mentor nimmt. Schon die Art, wie die Kamera ihm beim Gang durch die Gartenpforte bis zur Haustür des Meisters folgt, zeigt, dass er sich anschickt, heilige Hallen zu betreten.
Die heiligste aller Hallen aber ist zumindest in diesem Film die Villa Rachmaninow am Vierwaldstättersee. Hier haben die Pianistinnen Yulianna Avdeeva und Zlata Chochieva einen kleinen pianistischen Auftritt und bringen russischen Sprachklang in den multilingualen Film ein. Rachmaninow selbst, dessen Handdouble in einer nachgestellten Szene vom Pianisten Eldar Nebolsin gespielt wird, sind die letzten Szenen vorbehalten. Das Geheimnis der Magie seines Klavierspiels aber bleibt letztlich unentzaubert. Und das ist natürlich gut so.

Bernhard Hartmann, General-Anzeiger, Bonn, 21.11.24
Die Entstehung des Films „Die Alchemie des Klaviers“ verdankt sich einer Begegnung des italienischen Pianisten Francesco Piemontesi mit einer uralten, unveröffentlichten Tonaufnahme. Wie aus geheimnisvoller Ferne erklingt da das Klavierspiel Sergej Rachmaninows, dessen melancholisch-bezaubernde Walzer-Melodie aus dem zweiten Satz seiner Sinfonischen Tänze am Ohr des Hörers vorbeizieht. » Ich war völlig überwältigt «, fasst Piemontesi in dem wunderbaren Dokumentarfilm seinen Eindruck zusammen, der ihn dazu brachte, dem Geheimnis dieses besonderen Klavierklangs auf den Grund zu gehen. „Seine Art des Musizierens vermittelte eine total suggestive Vorstellung von dem Stück.“
In dem Filmemacher Jan Schmidt-Garre hatte er einen Gefährten gefunden, mit dem er sich auf die Reise machte, um zu erforschen, was es mit dieser „Alchemie“ auf sich hat, die Piemontesi im Klavierspiel Rachmaninows vernommen hatte. Er wollte wissen, was es braucht, einem mit Technik gespickten toten Möbel so etwas wie Seele einzuhauchen. So wie in der mittelalterlichen Alchemie versucht wurde, unedle Gegenstände wie Blei oder Quecksilber in edles Gold zu verwandeln. Deshalb beschlossen Pianist und Regisseur, ältere, erfahrene Kolleginnen und Kollegen aufzusuchen, » um herauszubekommen, was sie darüber denken «.
Wenn dann die mittlerweile 80 Jahre alte Pianistin Maria João Pires Debussy spielend ins Bild rückt, erfahren wir durch eine hübsche kleine Grafik, dass sie für den Aspekt „Körper“ stehen wird und ihrem Gast erläutert: „Wir spielen nicht mit dem Kopf. Wir spielen mit dem Körper.“ Und dies auch recht anschaulich zu demonstrieren versteht. Der nächste erfahrene Kollege steht für den » Klang «: Es handelt sich um den heute 84-jährigen Stephen Kovacevich, der Piemontesi einst die Rachmaninow-Aufnahme vorspielte und nun an der Reihe ist, die alchemistische Zutat ins Gefäß einzurühren. Es folgen noch Jean-Rodolphe Kars (» Bilder «), die Opernsängerin Ermonela Jaho (» Stimme «), der Dirigent und Pianist Antonio Pappano (» Farben «) und schließlich Piemontesis früherer Mentor Alfred Brendel, der für die „Form“ zuständig ist.
In den Gesprächen, die Piemontesi auf Italienisch, Französisch, Englisch und Deutsch führt, geben sie tatsächlich tiefe Einsichten in die Kunst des Klavierspiels, die immer über den Aspekt der reinen Technik hinausweisen. So ist Kovacevich der Überzeugung, dass er eine stärkere Kontrolle über das innere Ohr hat, wenn er die Tasten des Klaviers mit gestreckten Fingern berührt. In Alfred Brendels Haus in London-Hampstead findet sich Piemontesi in der Rolle des Schülers wieder. » Dass Sie besonders schön Klavier spielen, muss ich Ihnen nicht sagen «, sagt der 93-Jährige zu seinem Besucher, der ihm gerade ein paar Takte aus Franz Schuberts später Sonate in B-Dur vorgespielt hat. „Es handelt sich mehr um eine Angelegenheit des Charakters.“ Und es folgen einige kluge Anmerkungen Brendels zum Spiel des mehr als fünfzig Jahre jüngeren Gastes.
Doch damit erschöpft sich der Film nicht. Ein bisschen von der Aura Rachmaninows fangen Piemontesi und Schmidt-Garre in der herrlichen Villa des russischen Komponisten und Pianisten am Vierwaldstättersee ein. Auch hier wird Klavier gespielt. An Rachmaninows eigenem Flügel nehmen da die Pianistinnen Yulianna Avdeeva und Zlata Chochieva Platz. Und Eldar Nebolsin, der für nachgestellte, in Schwarz-Weiß gehaltene Szenen in die Rolle Rachmaninows schlüpft. Doch wenn Piomentesi und Schmidt-Garre am Ende alle Zutaten für ihr alchemistisches Experiment zusammen haben, wissen wir sehr viel mehr über die Kunst des Klavierspiels. Aber ihr tiefstes Geheimnis kann und will auch er nicht preisgeben. Die Alchemie ist eben keine Wissenschaft.

—— english version ——

Mischa Kreiskott, NDR, 12.11.24
A film that delves deeply into the essence of creative interpretation on the piano.

Kirsten Liese, Filmdienst, Nov. 24
Given the stiff competition, a career as a pianist is a difficult undertaking. What distinguishes a truly great interpreter? What sets him apart from the crowd? Why does the performance of one touch the audience, while that of another moves them less or not at all?
Filmmaker Jan Schmidt-Garre, who has already made a name for himself in the world of classical music with numerous ambitious productions, including the profound portrait of the conductor Sergiu Celibidache “You don’t want anything – you let it evolve”, is the right man to address such complex questions. Nevertheless, he was well advised to leave the selection of artists, as well as the encounters and interviews, to the pianist Francesco Piemontesi, who has a well-established network in the concert business. The result is a series of highly informative conversations at eye level, which manage without technical jargon, as Piemontesi and his dialog partners demonstrate on the grand piano what they are talking about.
This is also necessary to engage musical laymen. On his journey through different countries, Piemontesi gathers greats such as Alfred Brendel, Maria João Pires and conductor Antonio Pappano in front of the camera, but also less internationally known colleagues who greatly enrich the film with their knowledge, wisdom and experience.
Even in the first few sequences, it becomes clear that what often impresses many people – great technical skill, virtuosity or playing fast and loud with a lot of keyboard thunder – is by no means what is important. What unites the pianists’ exquisite renditions is their sensitive, soulful playing. This is particularly true of compositions by Sergei Rachmaninoff, a composer who is so popular in the piano world and who has written highly virtuoso works that pianists love to use to demonstrate their skills. Rachmaninoff is the centerpiece of “The Alchemy of the Piano”.
Rachmaninoff’s villa on Lake Lucerne is one of the most beautiful places, and the film’s picturesque surroundings make it a cinematic experience. In particular, a historic recording from 1940, in which Rachmaninoff plays his Symphonic Dances on the piano and explains to a conductor friend what the music is about, inspired Piemontesi and Schmidt-Garre.
The film implements the appealing idea of re-enacting the recording with Rachmaninoff, which only exists as a sound recording, with another, similarly looking pianist in black and white, with great sophistication. In the piano professor Eldar Nebolsin from the Hanns Eisler School of Music in Berlin, they found an ideal performer, even though he is only seen from behind. Nebolsin plays the piece so skillfully on the grand piano that the sequence seems almost authentic and is even synchronized with the original soundtrack. Even in a close-up, you are not sure whose hands you are seeing.
The film also ambitiously handles other ingredients that play a crucial role in music-making. In an animation, they are brought together with a drawing pencil in an allusion to the title in an alchemist’s kitchen: body, sound, color, images, form and voice.
This may sound a bit simplistic as a list, but the protagonists contribute essential details to it. For example, how the sound changes subtly depending on whether you play with round, curved fingers or flat, stretched ones. The French pianist Jean-Rudolphe Kars uses selected pieces by Olivier Messiaen to explain how he finds the appropriate tone colors through spiritual and religious images.
Antonio Pappano explains at his piano how words can be found for a piano piece to give it the appropriate expression as in vocal music, when he relates arias from Puccini’s operas “Tosca” and “La Bohème” to ballads by Chopin.
In one of the most beautiful scenes, we are reunited with Alfred Brendel, who is best known for his benchmark-setting Schubert interpretations. It takes a lot to play Schubert’s B-flat major sonata under Brendel’s watchful ears, as Piemontesi does here, who found an important mentor and teacher in Brendel in earlier years. Brendel, now 93, has something essential to say in almost every bar that makes you listen to him spellbound. A lesson with him would actually be a movie in itself.

Max Nyffeler, Frankfurter Allgemeine, 18.11.24
From the audience’s point of view, it’s simple: the pianist sits down at the piano, plays the keys and makes a work sound. But what happens behind the surface of perception, the complex processes that precede the realization of sound, remains hidden from the listener. The film “The Alchemy of the Piano” by Jan Schmidt-Garre illuminates the background and finds a first-class source in Francesco Piemontesi, a leading pianist of the middle generation. In relaxed but sharply focused workshop discussions with musician friends, Piemontesi reveals the innermost core of the pianistic craft. The deeper the film delves into the subject, the more subtle the insight, the clearer it becomes: there remains a residue that defies conceptual understanding and conscious will. Or, as Sergei Rachmaninoff says in the quote that is faded in on a black screen at the end: “In all good pianoforte playing there is a vital spark that seems to make each interpretation of a masterpiece – a living thing. It exists only for the moment, and cannot be explained.”
Rachmaninoff and his villa Senar on the shores of Lake Lucerne are the anchor for the far-reaching explorations. Yulianna Avdeeva and Zlata Chochieva conjure up the magical atmosphere of the place with their playing on Rachmaninoff’s grand piano, and Piemontesi talks about the impression Rachmaninoff’s interpretation of the Symphonic Dances made on him at the piano. The suggestive nature of his playing struck him like lightning and prompted him to get to the bottom of this alchemy. In 1940, Rachmaninoff had played the Dances to the conductor of the premiere, Eugene Ormandy, on a trial basis. The noisy recording, captured on acetate, in which the voices of both men can also be heard, is heard in a cinematic reconstruction of the scene as the original soundtrack.
In six thematic sections, with the keywords body, sound, images, voice, color and form, the film revolves around the fundamental question of playing the piano: How can human feelings and thoughts be expressed at all with this instrument in the form of a piece of furniture that is actually a percussion instrument with its hammer mechanism and is only touched by the player with his fingertips? Unlike string players, who hold their instruments close to their bodies, or wind players, who use their breath to produce and shape sound, pianists have to resort to countless substitute strategies to breathe life into the mechanically produced sound of the piano. They use their imagination to develop forms of expression from other musical genres. Ultimately, their playing has something allegorical about it.
The problem is most virulent when playing a melodic line. Here, the inspiration of singing is obvious. Antonio Pappano, equally adept at the piano and as a conductor, demonstrates at the piano in conversation with Piemontesi how the simple sequence of notes in “Che gelida manina” in Puccini’s “La Bohème” becomes an expressive melody (» You could paint here! «), and brings the melodic qualities in Chopin’s Ballade in G minor to fruition in an equally compelling way. He advises emulating orchestral colors on the piano, citing his mentor Barenboim: “You have to want the sounds, then they will come.” How this auto-suggestion can be transformed into a real sound is one of the secrets of making music.
The mobilizing power of the imagination comes to the fore in the musical dialogue between Piemontesi and the Albanian soprano Ermonela Jaho. She associates legato, the hallmark of perfect melodic line, with the idea that something should never end; she achieves pianissimo in the highest registers by imagining the breath of air, not the material sound – for pianists, this is an inspiring notion that is also difficult to implement. Jean-Rodolphe Kars, who gave up his career as a pianist and became a priest at the age of 39, speaks with a highly spiritualized delivery. During a visit to the monastery in Burgundy, Piemontesi discusses with him the power of images in piano playing. Kars associates the first Nocturne by Gabriel Fauré, for example, with the First Epistle of John: “We proclaim eternal life to you.” A world of ideas that lends his playing color and depth.
Stephen Kovacevich, who lives in London and whose sense of sound Piemontesi considers unique, demonstrates a remarkable technical method for modifying sound. A melody sounds different when played with stretched fingers instead of bent ones. “You have more flesh on the keys,” says Kovacevich, playing the third movement of Beethoven’s Sonata op. 109, marked ‘singing, with the most intimate feeling’. Alfred Brendel, one of Piemontesi’s teachers, argues more associatively when speaking of the interpretative approach to a work. He imagines a sound in the first movement of Schubert’s late B-flat major sonata in which personal emotions are set aside in favor of a more universal perspective.
Maria João Pires emphasizes the role of physical sensation and shows how important, barely perceptible impulses arise in the back and merge with the musical expression. The fingers are only the last outposts of these internalized movements, which unconsciously but lastingly shape the music. The slight pianist asks, “Why are we actually doing all this?" Working on the piano is extremely exhausting, and life is hard enough as it is. She adds another secret to the artistic secrets that this insightful film uncovers.

Katharina Granzin, taz, 15.11.24
Sergei Rachmaninoff (1873–1943) not only composed great music for piano, he was also an outstanding pianist. When pianist Francesco Piemontesi (born 1983) heard a private recording from 1940 of Rachmaninoff playing his “Symphonic Dances”, he was electrified by the performance and passed his enthusiasm on to the director Jan Schmidt-Garre. Together they came up with the idea of a project: how about using cinematic means to track down the complex alchemy of piano playing?
The result is a beautiful musical road movie in which the camera accompanies Piemontesi across Europe to contemporary pianists. Each visit focuses on a different aspect of piano playing. It starts with the “body” of Portuguese pianist Maria João Pires. She hardly moves when she plays the piano, yet her whole body is involved, Piemontesi tells her. Pires agrees and demonstrates how she, for example, completely immerses herself in the instrument during some passages. She says that there are people who think that you have to do a lot of exercises with your hands, but “ultimately you don’t really need your hands at all" – that would be like driving a car using only the gas pedal! – Of course, that’s a rhetorical exaggeration, because as a top pianist, she has it easy.
In any case, Pires’s playing cannot be reduced to the ingredient “body «. The breakdown of the object of investigation into different aspects is above all a dramaturgical concept that helps to understand its complexity. The source for the alchemical ingredient “sound” – and for the role of the fingers when playing the piano – is the American pianist Stephen Kovacevich, who Piemontesi visits in London. Kovacevich demonstrates the effect of playing with flat fingers instead of rounded ones, and lets his younger colleague, who is slightly unfamiliar with this technique, try out the difference for himself.
The fact that a concert pianist is on the road to interview colleagues in this film breaks with the usual relationship between the questioner and the interviewee, replacing or supplementing it with a different narrative level: the interviewer can assume the role of a student or even become a duo partner, as in the touching encounter between Piemontesi and Jean-Rodolphe Kars, who lives in France and has not performed for many years. He gave up his concert career to become a Catholic priest. “Images” is the ingredient in the case of Kars, who coaxes a very soulful version of Gabriel Fauré’s first Nocturne from an out-of-tune piano and explains which passage from the Gospel of John he associates with this music in his mind. The element of “form” is assigned to Alfred Brendel, which seems a bit unfair, but it fits quite well to the Schubert piano lesson that Piemontesi takes from his mentor for the film. The way the camera follows him as he walks through the garden gate to the master’s front door shows that he is preparing to enter hallowed halls.
The most hallowed of all halls, at least in this film, is the Villa Rachmaninoff on Lake Lucerne. Here, pianists Yulianna Avdeeva and Zlata Chochieva make a brief appearance, introducing the melodious sound of Russian into this multilingual film. Rachmaninoff himself, whose hand double is played by pianist Eldar Nebolsin in a re-enacted scene, is reserved for the last few scenes. Ultimately, however, the secret of the magic of his piano playing remains unmasked. And that’s a good thing, of course.

Bernhard Hartmann, General-Anzeiger, Bonn, 21.11.24
The making of the film “The Alchemy of the Piano” was sparked by an encounter between the Italian pianist Francesco Piemontesi and an ancient, unreleased recording. Sergei Rachmaninoff’s piano playing can be heard, as if from a mysterious distance, with the enchantingly melancholy waltz melody from the second movement of his Symphonic Dances floating past the listener’s ear. “I was completely overwhelmed,” is how Piemontesi sums up his impression in the wonderful documentary film, which led him to get to the bottom of the secret of this particular piano sound. “His way of playing conveyed a totally suggestive idea of the piece. «
In filmmaker Jan Schmidt-Garre, he had found a companion with whom he set out on a journey to explore what this “alchemy” was that Piemontesi had heard in Rachmaninoff’s piano playing. He wanted to know what it takes to breathe something like a soul into a dead piece of furniture studded with technology. Just as medieval alchemists tried to transform base objects such as lead or mercury into gold. So the pianist and director decided to seek out older, more experienced colleagues to » find out what they thought about it «.
When the now 80-year-old pianist Maria João Pires enters the frame playing Debussy, we learn from a cute little graphic that she will represent the aspect of “body” and explains to her guest: “We don’t play with our heads. We play with our bodies.” And she is able to demonstrate this quite vividly. The next colleague in line stands for » sound «: 84-year-old Stephen Kovacevich, who once played the Rachmaninoff recording to Piemontesi and is now the one to stir the alchemical ingredient into the vessel. They are followed by Jean-Rodolphe Kars (» Images «), opera singer Ermonela Jaho (» Voice «), conductor and pianist Antonio Pappano (» Colors «) and finally Piemontesi’s former mentor Alfred Brendel, who is responsible for the » Form «.
In the conversations, which Piemontesi conducts in Italian, French, English and German, they provide deep insights into the art of playing the piano that always go beyond the purely technical aspect. Kovacevich, for example, is convinced that he has greater control over his inner ear when he touches the piano keys with flat fingers. At the home of Alfred Brendel in London’s Hampstead neighborhood, Piemontesi finds himself in the role of the student. » You don’t need me to tell you that you play the piano beautifully, « the 93-year-old says to his visitor, who has just played him a few bars from Franz Schubert’s late Sonata in B flat major. “It’s more a matter of character.” And Brendel makes some clever comments about the playing of his guest, who is more than fifty years his junior.
But the film doesn’t stop there. Piemontesi and Schmidt-Garre capture a bit of Rachmaninoff’s aura in the Russian composer and pianist’s magnificent villa on Lake Lucerne. Piano is played here, too. Pianists Yulianna Avdeeva and Zlata Chochieva take their seats at Rachmaninoff’s own grand piano. And Eldar Nebolsin, who slips into the role of Rachmaninov for re-enacted scenes in black and white. But when Piomentesi and Schmidt-Garre finally have all the ingredients for their alchemical experiment, we will know a great deal more about the art of playing the piano. But they cannot and will not reveal its deepest secret. Alchemy is not a science.

Additional

Poster » The Alchemy of the Piano «

Quotes

Ultimately you don’t really need your hands. It’s as if the accelerator were driving the car!
Maria João Pires

When I play Chopin there’s an accent you can hear. It’s not my mother language. I feel I have no accent in Beethoven, no accent in Brahms.
Stephen Kovacevitch

My mentor Daniel Barenboim talks about the will. You have to want certain colors. And then they come. You make it happen because you need it to happen.
Sir Antonio Pappano

Messiaen’s music is a theology in sound. Through sound, he allows us to approach theological truths that are otherwise very difficult to express.
Jean-Rodolphe Kars

For me the legato is an inner thought.
Ermonela Jaho

You do what all refined musicians do: If there is an accent somewhere, you take the music back instead of playing the accent. Because playing the accent is, so to speak, vulgar. I think you can play the accents!
Alfred Brendel

When a genius composer has completed a work, it mysteriously no longer belongs to him. It belongs to those who receive it and want to pass it on. The task of the interpreter is therefore to reproduce the author’s intentions as accurately as possible. But there is necessarily something in a genius work that transcends the composer’s intentions.
Jean-Rodolphe Kars

On one hand we are so used now to very precise and very sound oriented recording, where you can hear every little thing, which personally I find very stressful nowadays, because there is so much focus on this sound. And I find that especially in this recording, that in some notes you cannot hear very well how they die. And, it’s not always completely clear. But then you have to imagine with your brain, what maybe the end of this particular sound is.
Francesco Piemontesi

Maria João Pires: You often don’t know why you do it.
Francesco Piemontesi: Yes, our lives are difficult…
– No, terrible!
– The traveling is terrible. Not even time to try out the pianos...
– Not even time to live and breathe and nothing!
– And we do it anyway.
– And we do it anyway. There must be a good reason.

Texts

"The Alchemy of the Piano" – Interview

Jan Schmidt-Garre in conversation with Rebecca Walter, September 2024
(Zur deutschen Fassung herunterscrollen)

Which came first: the plan to make a film about playing the piano, or Francesco Piemontesi?
Francesco was there first. We have been close friends for many years and actually talk about music, pianists and historical recordings all the time, send each other YouTube links and so on. A while ago, he told me that there was a recording of Rachmaninoff’s Symphonic Dances, played by himself. It’s one of my favourites, and I’d always regretted that he hadn’t recorded it. I couldn’t believe that such an important document would only emerge decades later, but fortunately Francesco was right. The recording is so incredibly lively and musical that it eclipses all of Rachmaninoff’s studio recordings.

The sound quality, however, is lousy!
I realised that too in the meantime. What I’m saying now is not coquetry: I didn’t hear that. With such a fantastic recording, I’m so focused on the phrasing, on the small ingenious tempo changes, etc., that I don’t notice the hissing. Well, in any case, we decided to make this recording the starting point for our journey.

Francesco Piemontesi talks about the ‘alchemy’ of this recording, and the film is also called that. What do you mean by that?
In their furnace, the Athanor, the alchemists only appeared to be trying to transform low-value materials into gold. In reality, it was about transforming matter into spirit. And this is exactly what happens in art and when playing the piano. The pianist triggers a physical process in which – in a rare stroke of luck – a spiritual entity is created. Physical strength, wood, a complicated mechanism and air vibrations are transformed into art that can be absorbed by a receptive consciousness and possibly move it to tears. And all with the help of a technical device in which, as Francesco explains in the film, every time a key is pressed, two hundred mechanical parts are set in motion until the string finally sounds.

You visited very well-known and lesser-known pianists – how did you select them?
Alfred Brendel was a firm favourite from the outset because he plays a major role in Francesco’s development, far beyond the pianistic aspect. Maria João Pires was important to me, I love her very much because she plays so freely. Francesco always talked about Stephen Kovacevich, and I didn’t even know who he was until I finally realised that he used to be called Stephen Bishop, after his mother’s second husband, and at some point took his father’s name. Francesco is very impressed by his incredibly beautiful sound.

When you hear him play a late Beethoven sonata in the film, it’s really impressive.
Stephen was reluctant to play for a very long time during the filming. He said he had to practise even a few bars for weeks. But after Francesco had very skilfully challenged him by playing beautifully, he couldn’t hold back any longer and started playing the Beethoven (under the pretext of trying out a technical detail). I was also overwhelmed by the warm, human sound he got out of the piano. And I find it very moving that Francesco, who himself is famous for his beautiful sound, says in the film that he envies Kovacevich for his own. Unfortunately, we were unable to win over a pianist for the film who also has an unmistakable sound: Murray Perahia. He is one of the best pianists of the last 50 years, and he has his very own approach to music, which we would have loved to have in our alchemical kitchen: he analyses the pieces meticulously according to the method of Heinrich Schenker, a musicologist of the 1920s and 1930s. It’s about the architecture of the works, power relations, lines of tension, etc. – very exciting. But he didn’t want to.

That surprises me, because the film seems so cohesive that you think it was shot exactly as planned.
That makes me happy, of course. And it confirms what I often experience when I talk to spectators: there is a kind of basic trust that people have in a film. That’s very nice. They hardly ever question the choice of themes, the structure of the film or the protagonists. In reality, the making of almost every documentary film – I would say of the good ones at least – involves countless imponderables and coincidences. In all phases: in the conception, in the slow circling of the topic, then in the choice of protagonists and locations, then again during the shoot, where a lot arises from the dynamics of the situation – completely unplanned and also actually unplannable. And then this whole process is repeated again and perhaps most strongly in the editing, where the film is constructed in the first place and is given a logic that wasn’t there before. So that in the end the film is as stable as you kindly say.

What developments were there during the filming, for example?
In autumn, Francesco suddenly came up with the very good idea of meeting a singer, because his ideal is to sing on the piano. (Here’s an insider tip: pianists who say they learn from singers are often the best!) Great idea, I said, who are you thinking of? And then he suggested my favourite singer, Ermonela Jaho!

The meeting with Sir Antonio Pappano also only came about in the course of the work?
Yes, because Francesco was hoping to learn something from a good conductor about the different colours a pianist should work with. We didn’t immediately agree on who that could be. Then I think it was he who suggested Pappano, and I was immediately in favour, because for me Pappano is the greatest opera conductor next to Petrenko. I’ve experienced him often, even from the side box in Covent Garden, where you can see him very well. I know of no other conductor who anticipates the music as strongly as he does. That’s why the singers feel so safe with him. The encounter was also totally inspiring. When I see the scenes in the film, I have to smile every time. After the shoot, I spontaneously said to him: » I want to be you. « When he looked a little surprised, I realised that I needed to add: » I want to swim in music like you. «

How long have you been filming?
We started in January 23 with Alfred Brendel in London. A year later, on 14 January 24, we were back in London and shot the last encounter with Stephen Kovacevich. I said, let’s have a look at the calendar to see when we were actually with Brendel. Exactly on 14 January 23!

When you watch the film now with a little distance, what do you notice?
There’s something free about the film that I like. Maria João Pires says in the film that you can move through a musical work like on a ice skating rink: back and forth, very freely, with arabesques – I feel something similar with this film. It flows very easily, almost improvised.

At the same time, there is a strict structure. You even assign individual terms to the musicians, such as ‘body’, ‘sound’ or ‘colours’.
Each of our interviewees could quite rightly say that she or he covers all these elements: the form, the colour, the sound... And that’s true, of course. You have to master all these aspects, otherwise you can’t play the piano at this level. The labelling here is an ingredient of the direction, a railing that helps the audience to orientate themselves and makes this freedom we spoke of possible in the first place. But it’s not completely arbitrary either. The body certainly plays a greater role with Maria João Pires than, say, with Alfred Brendel. And the inner images, which every pianist certainly works with to a certain extent, are absolutely decisive for Jean-Rodolphe Kars. He cannot and will not make music without an image, without an inner film, which in his case is always fed by the biblical stories.

How did the collaboration with Francesco Piemontesi go? During the talks, he sat in the chair you usually sit in.
That’s right, and that had a consequence that I hadn’t anticipated: After an interview, a very intense, pleasant atmosphere usually built up between the participants. The interviewee has talked about him or herself, has opened up – that connects with the interviewee. I don’t have to make friends with the artists I talk to, but I enjoy this atmosphere. We often have a drink together afterwards and get on well. Because Francesco conducted the conversations in this film, this relationship developed between him and the artists. They hardly paid any attention to me, as if I was only responsible for the wiring. An interesting experience.

It must also have been unusual for Francesco. Normally he’s the interviewee.
Francesco has one great strength: he is curious. He is really interested in his colleagues and in the laws of art. He wants to find out how this alchemy works. And everyone immediately sensed that and spoke to him very openly.

Have you never been tempted to ask questions yourself?
Ok, sometimes yes. Francesco naturally knows an incredible amount about the topic and then quickly said what every polite person says in a conversation: » Of course, I know what you mean. « And stops the interviewee just at the moment when things are getting exciting. As an interviewer, you have to put up with being thought a bit stupid or uneducated. You have to ask simple questions and follow up until the interviewee has actively formulated what you want to hear. Only what’s on the film at the end counts, says Werner Herzog. That’s why I sat behind him after a while during filming, on the same axis, so that it made no difference to the camera who the interviewee was looking at. And then I asked my stupid questions, which really annoyed Francesco!

What did he say about the finished film?
» You played good Tetris with the material. « As casual as that sounds, there is some truth to it. It’s always about the viewer’s perception without resistance. That’s what all the long work in the editing room serves, where the right context has to be found for every little moment that ends up in the film. We try to cut the material in such a way that it falls directly into consciousness – just like the perfectly filled row in Tetris falls down and disappears. Bypassing the reflective resistance, almost like with André Breton.

The film ends with the reconstruction of the recording of the Symphonic Dances. How did you choose the actor for the role of Rachmaninoff?
I thought back and forth about who could have the pianistic virtuosity to play Rachmaninoff and also look somewhat like him. And then I suddenly thought of Eldar Nebolsin, whom I wanted to invite to a concert years ago. He is a very good pianist and holds the piano professorship at the Hanns Eisler Academy of Music in Berlin. The recording on which the whole thing is based dates from 1940, when Rachmaninoff had just finished the Symphonic Dances and his friend Eugene Ormandy was to conduct the premiere. Ormandy then probably asked Rachmaninoff to explain to him what was important in the piece. Ormandy recorded this meeting on acetate discs with a home disc recorder. Rachmaninoff sat down at the piano and played it to him, but in the same way that you would show a new piece to a friend in a private situation: he sings along, comments, then stops because someone comes in, starts again and so on. It’s not a performance, it’s a radio play.

A film without a picture.
Exactly. And I wanted to provide the picture. With every jump and every restart, I asked myself what might have happened and wrote a little script. Eldar Nebolsin now had the thankless task of playing this sequence, in sync, because the soundtrack was already completed. The piece is normally set for two pianos and is difficult enough as it is. Rachmaninoff improvises it alone and also sings and talks to it. At the beginning of the filming, Nebolsin said that in some passages we could only show a wide long shot or his back, never his hands. In the end, he performed the seven minutes to which I had edited the 33 minutes of raw material in perfect synchronisation, so that even in the close-up of the hands, you think it’s Rachmaninoff himself playing. This is a circus performance in technical terms, but also in terms of the metamorphosis with the historical pianist. And a Zen-like exercise in humility, because we don’t hear a single note from the great pianist Eldar Nebolsin.

How do you feel about uncovering the secrets of piano playing? Aren’t you afraid of destroying the magic?
My philosophy professor Jörg Splett, who had a great influence on me, would have quoted Simone Weil: » The unconceived hides the inconceivable. That is why it must be conceived. «


Jan Schmidt-Garre im Gespräch mit Rebecca Walter, September 2024

Was war zuerst da: der Plan, einen Film über das Klavierspielen zu machen, oder Francesco Piemontesi?
Francesco war zuerst da. Wir sind seit vielen Jahren eng befreundet und reden eigentlich die ganze Zeit über Musik, über Pianisten, über historische Aufnahmen, schicken einander YouTube-Links und so weiter. Vor einiger Zeit erzählte er mir, dass es eine Aufnahme der Symphonischen Tänze von Rachmaninoff gibt, von ihm selber gespielt. Das ist ein Lieblingsstück von mir, und ich hatte es immer bedauert, dass er ausgerechnet das nicht aufgenommen hat. Ich habe es nicht glauben können, dass so ein wichtiges Dokument erst nach Jahrzehnten auftaucht, aber Francesco hat zum Glück Recht behalten. Die Aufnahme ist so unglaublich lebendig und musikalisch, dass sie Rachmaninoffs ganze Studioaufnahmen in den Schatten stellt.

Die Tonqualität ist allerdings lausig!
Das ist mir inzwischen auch klargeworden. Was ich jetzt sage, ist keine Koketterie: ich habe das nicht gehört. Bei einer so fantastischen Aufnahme bin ich so fokussiert auf die Phrasierung, auf die kleinen genialen Temporückungen usw., dass ich nicht merke, wie das rauscht. Na ja, auf jeden Fall haben wir beschlossen, diese Aufnahme zum Ausgangspunkt für unsere Reise zu machen.

Francesco Piemontesi spricht von der » Alchemie « dieser Aufnahme, und auch der Film heißt so. Was meinen Sie damit?
Im Ofen der Alchemisten, dem Athanor, wurde ja nur scheinbar versucht, aus geringwertigen Materialien Gold zu gewinnen. In Wirklichkeit ging es um die Verwandlung des Stofflichen in Geist. Und genau das geschieht in der Kunst und beim Klavierspielen. Der Pianist stößt einen physischen Ablauf an, bei dem – im seltenen Glücksfall – ein geistiges Gebilde entsteht. Körperkraft, Holz, eine komplizierte Mechanik und Luftschwingungen verwandeln sich in Kunst, die von einem dafür empfänglichen Bewusstsein aufgenommen werden kann und es womöglich zu Tränen rührt. Und das ausgerechnet mithilfe eines technisches Geräts, bei dem, wie Francesco im Film erzählt, jeder Druck einer Taste zweihundert mechanische Teile in Bewegung setzt, bis endlich die Saite erklingt.

Sie haben sehr bekannte und weniger bekannte Pianisten und Pianistinnen besucht – wie haben Sie ausgewählt?
Alfred Brendel stand von Anfang an fest, weil er in Francescos Entwicklung eine große Rolle spielt, weit über das Pianistische hinaus. Für mich war Maria João Pires wichtig, die ich sehr liebe, weil sie so frei spielt. Francesco hat immer von Stephen Kovacevich erzählt, und ich wusste gar nicht, wer das ist, bis ich endlich kapiert habe, dass er früher Stephen Bishop hieß, nach dem zweiten Mann seiner Mutter, und irgendwann den Namen seines Vaters angenommen hat. Francesco ist sehr beeindruckt von dessen unglaublich schönem Klang.

Wenn man im Film hört, wie er eine späte Beethoven-Sonate spielt, ist das auch wirklich eindrucksvoll.
Stephen hat sich während des Drehs sehr lange gesträubt, zu spielen. Auch für ein paar Takte müsse er wochenlang üben, sagte er, aber nachdem Francesco ihn sehr geschickt herausgefordert hatte, indem er seinerseits wunderschön gespielt hat, konnte er sich irgendwann nicht mehr zurückhalten und hat mit dem Beethoven angefangen (unter dem Vorwand, ein technisches Detail auszuprobieren). Da war ich auch überwältigt von dem warmen, menschlichen Ton, den er aus dem Flügel herausholt. Ich finde es auch sehr bewegend, dass Francesco, der selber berühmt ist für seinen schönen Klang, im Film sagt, er beneide Kovacevich um den seinen. Einen Pianisten, der auch einen unverwechselbaren Ton hat, konnten wir leider nicht für den Film gewinnen: Murray Perahia. Er ist einer der besten Pianisten der letzten 50 Jahre, und er hat einen ganz eigenen Zugang zur Musik, den wir gerne in unserer alchimistischen Küche gehabt hätten: Er analysiert die Stücke minutiös nach der Methode von Heinrich Schenker, einem Musikwissenschaftler der 20er, 30er Jahre. Da geht es um die Architektur der Werke, um Kräfteverhältnisse, Spannungslinien usw. – sehr spannend. Aber er wollte nicht.

Das wundert mich jetzt, denn der Film wirkt so geschlossen, dass man denkt, er sei genau so gedreht worden wie geplant.
Das freut mich natürlich. Und es bestätigt, was ich oft erlebe, wenn ich mit Zuschauern spreche: Es gibt eine Art Grundvertrauen, das die Leute einem Film entgegenbringen. Das ist sehr schön. Sie stellen die Auswahl der Themen, den Aufbau des Films, die Protagonisten kaum je infrage. In Wirklichkeit ist die Entstehung fast jedes Dokumentarfilms – ich würde sagen, zumindest der Guten – mit unzähligen Imponderabilien und Zufällen verbunden. In allen Phasen: in der Konzeption, beim langsamen Einkreisen des Themas, dann in der Wahl der Protagonisten und Orte, dann wiederum beim Dreh, wo ganz viel aus der Dynamik der Situation entsteht – ganz ungeplant und auch tatsächlich unplanbar. Und dann wiederholt sich dieser ganze Prozess nochmal und vielleicht am stärksten im Schnitt, wo der Film überhaupt erst konstruiert wird und eine Logik erhält, die vorher gar nicht da war. Damit er dann am Ende so stabil dasteht, wie Sie netterweise sagen.

Was gab es z. B. für Entwicklungen während der Dreharbeiten?
Francesco kam im Herbst plötzlich mit dem sehr guten Gedanken, auch eine Sängerin zu treffen, weil es sein Ideal ist, auf dem Flügel zu singen. (Hier kommt jetzt ein Geheimtip: Pianisten, die sagen, dass sie von Sängern lernen, sind oft die besten!) Super Idee, habe ich gesagt, an wen denkst du? Und da schlägt er meine Lieblingssängerin vor, Ermonela Jaho!

Die Begegnung mit Sir Antonio Pappano hat sich auch erst im Lauf der Arbeit ergeben?
Ja, weil Francesco hoffte, von einem guten Dirigenten etwas über die verschiedenen Klangfarben zu erfahren, mit denen ein Pianist arbeiten sollte. Wir waren uns nicht gleich darüber einig, wer das sein könnte. Dann war es, glaube ich, er, der Pappano vorgeschlagen hat, und ich war sofort dafür, weil Pappano für mich neben Petrenko der größte Operndirigent ist. Ich habe ihn oft erlebt, auch aus der Seitenloge in Covent Garden, wo man ihn sehr gut sehen kann. Ich kenne keinen Dirigenten, der die Musik so stark antizipiert wie er. Deswegen fühlen sich die Sänger bei ihm so sicher. Die Begegnung war dann auch total inspirierend. Wenn ich die Szenen im Film sehe, muss ich jedes Mal lächeln. Nach dem Dreh habe ich spontan zu ihm gesagt: » I want to be you. « Als er etwas verwundert blickte, habe ich gemerkt, dass das noch ergänzungsbedürftig ist: » I want to swim in music like you. «

Wie lange haben Sie gedreht?
Wir haben im Januar 23 bei Brendel in London angefangen. Ein Jahr später, am 14. Januar 24, waren wir wieder in London und drehten die letzte Begegnung mit Stephen Kovacevich. Ich sagte, lass uns doch mal in den Kalender schauen, wann wir eigentlich bei Brendel waren. Genau am 14. Januar 23!

Wenn Sie den Film jetzt mit etwas Abstand sehen, was fällt Ihnen auf?
Der Film hat etwas Freies, das mir gefällt. Maria João Pires sagt im Film, man könne sich durch ein musikalisches Werk bewegen wie über eine Schlittschuhbahn: hin und her, ganz frei, mit Arabesken – sowas ähnliches empfinde ich auch bei diesem Film. Es fließt sehr leicht dahin, fast improvisiert.

Gleichzeitig gibt es ja eine strenge Gliederung. Sie ordnen den Musikerinnen sogar einzelne Begriffe zu wie 'Körper', 'Klang' oder 'Farben'.
Jeder unserer Gesprächspartner könnte mit vollem Recht sagen, sie oder er decke doch in sich alle diese Elemente ab: die Form, die Farbe, den Klang... Und das stimmt natürlich. Man muss alle diese Aspekte beherrschen, sonst kann man nicht auf diesem Niveau Klavier spielen. Das Labeln ist eine Zutat der Regie, ein Geländer, das dem Zuschauer bei der Orientierung hilft und diese Freiheit, von der wir sprachen, erst ermöglicht. Aber ganz willkürlich ist es auch nicht. Der Körper spielt bei Maria João Pires sicher eine größere Rolle als, sagen wir, bei Alfred Brendel. Und die inneren Bilder, mit denen sicher jeder Pianist in einem gewissen Maß arbeitet, sind bei Jean-Rodolphe Kars absolut bestimmend. Ohne Bild, ohne inneren Film, der sich bei ihm immer aus den biblischen Geschichten speist, kann und will er nicht musizieren.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Francesco Piemontesi? Er saß bei den Gesprächen ja auf dem Stuhl, auf dem Sie sonst sitzen.
Stimmt, und das hatte eine Folge, mit der ich nicht gerechnet hatte: Nach einem Interview hat sich zwischen den Beteiligten meistens eine sehr intensive, schöne Stimmung aufgebaut. Der Befragte hat über sich gesprochen, hat sich geöffnet – das verbindet mit dem Gesprächspartner. Ich muss mich nicht mit den Künstlern anfreunden, mit denen ich spreche, aber ich genieße diese Stimmung. Oft trinkt man dann noch was miteinander und versteht sich gut. Weil bei diesem Film Francesco die Gespräche geführt hat, entstand diese Beziehung zwischen ihm und den Künstlerinnen. Mich haben sie kaum beachtet, als wäre ich nur für die Verkabelung zuständig. Interessante Erfahrung.

Für Francesco muss es auch ungewohnt gewesen sein. Normalerweise ist ja er der Interviewte.
Francesco hat eine ganz große Stärke: Er ist neugierig. Er interessiert sich wirklich für die Kollegen und für die Gesetze der Kunst. Er will rauskriegen, wie diese Alchemie funktioniert. Und das haben alle sofort gespürt und sehr offen mit ihm gesprochen.

Es hat Sie nie gejuckt, selber Fragen zu stellen?
Ok, manchmal schon. Francesco weiß natürlich wahnsinnig viel über das Thema und sagt dann schnell mal, was jeder höfliche Mensch in einer Unterhaltung sagt: » Na klar, ich weiß, was Sie meinen. « Und stoppt den Gesprächspartner damit gerade in dem Moment, in dem es spannend wird. Als Interviewer muss man es aushalten, für ein bisschen blöd oder ungebildet gehalten zu werden. Man muss simple Fragen stellen und nachhaken, bis der Befragte selber aktiv formuliert hat, was man hören will. Nur was am Ende auf dem Film ist, zählt, sagt Werner Herzog. Deswegen habe ich mich bei den Drehs nach einiger Zeit hinter ihn gesetzt, in dieselbe Achse, so dass es in der Kamera keinen Unterschied macht, wen der Gesprächspartner anblickt. Und habe dann meine dummen Fragen gestellt, was Francesco ziemlich genervt hat!

Was hat er zu dem fertigen Film gesagt?
» Ihr habt gut Tetris mit dem Material gespielt. « So salopp das klingt, es ist etwas Wahres dran. Es geht immer um die widerstandslose Wahrnehmung auf Seiten des Zuschauers. Der dient die ganze lange Arbeit im Schneideraum, bei der für jeden kleinen Moment, der im Film landet, der richtige Kontext gefunden werden muss. Wir versuchen, das Material so zu schneiden, dass es umweglos ins Bewusstsein fällt – so wie die perfekt gefüllte Reihe im Tetris nach unten fällt und verschwindet. Unter Umgehung des reflektierenden Widerstands, fast schon wie bei André Breton.

Der Film endet mit der Rekonstruktion der Aufnahme der Symphonischen Tänze. Wie haben Sie den Darsteller für die Rolle Rachmaninoffs ausgewählt?
Ich überlegte hin und her, wer die pianistische Virtuosität haben könnte, Rachmaninoff zu spielen und ihm auch noch einigermaßen ähnlich sieht. Und da fiel mir plötzlich Eldar Nebolsin ein, den ich vor Jahren mal zu einem Konzert einladen wollte. Er ist ein sehr guter Pianist und hat die Klavierprofessur an der Hanns Eisler-Musikhochschule in Berlin. Die Aufnahme, die dem ganzen zugrundeliegt, stammt von 1940. Rachmaninoff hatte die Symphonischen Tänze gerade fertiggestellt, und sein Freund Eugene Ormandy sollte die Uraufführung dirigieren. Es war dann wahrscheinlich so, dass Ormandy Rachmaninoff gebeten hat, ihm zu erläutern, worauf es bei dem Stück ankommt. Dieses Treffen hat Ormandy mit einem sogenannten Plattenschneider auf Azetatplatten aufgenommen. Rachmaninoff setzte sich an den Flügel und spielte es ihm vor, aber so, wie man einem Freund in einer privaten Situation ein neues Stück zeigt: er singt mit, kommentiert, dann bricht er ab, weil jemand reinkommt, setzt wieder an usw. Das ist keine Aufführung, das ist ein Hörspiel.

Ein Film ohne Bild.
Genau. Und dazu wollte ich das Bild liefern. Bei jedem Sprung und jedem Wiederansetzen habe ich mich gefragt, was da passiert sein könnte, und habe ein kleines Drehbuch geschrieben. Eldar Nebolsin hatte nun die undankbare Aufgabe, diesen Ablauf nachzuspielen, und zwar synchron, denn die Tonspur war ja schon fertig. Das Stück ist normalerweise für zwei Klaviere gesetzt und dann schon schwer genug. Rachmaninoff improvisiert das allein und singt und redet auch noch dazu. Am Anfang des Drehs sagte Nebolsin, bei manchen Passagen könnten wir nur eine weite Totale zeigen oder seinen Rücken, auf keinen Fall die Hände. Am Ende hat er die sieben Minuten, auf die ich die 33 Minuten Rohmaterial zusammengeschnitten hatte, perfekt synchron aufgeführt, so dass man selbst in der Nahaufnahme der Hände denkt, es sei Rachmaninoff selber, der spielt. Das ist eine Zirkus-Leistung in technischer Hinsicht, aber auch was die Metamorphose mit dem historischen Pianisten angeht. Und ein Zen-artiges Exerzitium in Demut, denn von dem großen Pianisten Eldar Nebolsin hören wir keine einzige Note.

Wie fühlen Sie sich dabei, die Geheimnisse des Klavierspiels aufzudecken? Haben Sie nicht Angst, die Magie zu zerstören?
Mein Philosophieprofessor Jörg Splett, der mich sehr geprägt hat, hätte jetzt Simone Weil zitiert: » Das Unbegriffene verbirgt das Unbegreifliche.
Darum muss es begriffen werden. «