The Promise – Architect BV Doshi

Facts

Documentary, 90 min, 2023

Directed by Jan Schmidt-Garre

—— The world premiere was on May 13th, 2023 in Warsaw at » Millennium Docs Against Gravity « ——

Balkrishna Doshi was born in 1927, but he is the youngest architect in the world. He has been doing everything that young architects discuss today for decades. He has been building sustainably since the 1960s: with local materials, energy-saving, with natural air conditioning. Since the 1980s he has been building socially: low-cost housing estates that are further developed by the slum residents of the large Indian cities and enable them to advance socially. In 2018 he was awarded the Nobel Prize for Architecture, the Pritzker Award.

The film tells the story of BV Doshi’s journey from European modernism of the 1950s to the architecture of the present. We visit with him the Indian buildings of Le Corbusier and Louis Kahn, whose designs Doshi executed as a young architect, and talk to him about his teachers. We experience Doshi developing new projects today in his office in Ahmedabad with four partners and sixty employees. We visit the important buildings of Doshi in Bangalore, Indore and Ahmedabad and capture them cinematically, not only photographically. Doshi is not a formalist. For him, the focus is always on the individual who – as a student, worker, visitor or resident – uses his buildings. In the film we therefore present Doshi’s buildings as living spaces for their users and talk to them about their experiences.

BV Doshi is a man of the present, but he is also a traditionally living Hindu. We witness his religious rituals in the family and visit with him Hindu temples and Islamic mosques that have shaped his ideas of city building and architecture. Doshi is a brilliant storyteller. His presence of mind, his humor and his wisdom are connecting all these elements and create the image of a man from whom we can not only learn to build humanly, but from whom we can learn – to be human.

Cinematography: Diethard Prengel
Sound recording: Thomas Keller
Music: Béla Bartók
Editor: Sarah. J. Levine
Producers: Thomas Nitsche, Jan Schmidt-Garre and Marieke Schroeder

In German cinemas since September 14, distributed by Barnsteiner Film
World distribution: Magnetfilm

Production and distribution supported by FFF


Videos

The Promise – Teaser


Press

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Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 14.9.23
Ein Kino der natürlichen Schönheit, der Gelassenheit. Der indische Architekt Balkrishna Doshi, geboren 1927 (und im Januar dieses Jahres gestorben) erzählt Jan Schmidt-Garre von seinem Leben und Arbeiten, besucht die Bauten, die er seit den Sechzigern gestaltete, und lässt uns spüren, wie Architektur dem Leben der Menschen dient, durch Nachhaltigkeit und sozialen Wohnungsbau. Seine Gebäude sind erdfarben, baukastengleich zusammengefügt aus einzelnen Blöcken. Jede Klasse hat einen eigenen Bau, erklärt er von seinem ersten Projekt, einer Montessori-Schule, sodass die Schüler beim Wechseln draußen die Natur sehen und den Himmel. Architektur, zitiert er seinen Lehrer Le Corbusier, bei dessen indischen Projekten er mitgearbeitet hatte, das ist das weise, korrekte und herrliche Spiel der Formen im Licht. Was auch eine wunderbare Definition fürs Kino ist.

Tagesspiegel Ticket, 14.9.23
Mit seiner unaufgeregten, gänzlich auf seinen Protagonisten und dessen Werk konzentrierten Erzählweise ist Das Versprechen – Architekt BV Doshi ein bewegendes Filmporträt mit einer nachdenklichen Pointe.

Kölnische Rundschau / Kölner Stadtanzeiger, 14.9.23
Jan Schmidt-Garre beweist in seinem dokumentarischen Filmporträt die Qualität der Geduld, wenn er Doshi am Zeichenbrett beobachtet, den gestalterischen Ideen zuhört und von den Entwürfen (gezeichnet oder mit Bauklötzen erstellt) zu den realen Bauwerken schneidet. Die Kamera von Diethard Prengel folgt dabei dem Konzept des Direct Cinema, operiert also rein beobachtend und zielt nicht aktiv auf emotionale Wirkung. Dieser Ansatz erscheint nüchtern, erzielt hier aber enorme Wirkung, wenn man den erstaunlich rüstigen Doshi seine Arbeit erklären sieht.

Abendzeitung, 14.9.23
Man könnte diesem Mann stundenlang zuhören.

Peter Gutting, film-rezensionen.de, September 2023
Aus dem Kinderzimmer heraus und direkt mit einer Rutsche in den Swimmingpool: Das ist keine spinnerte Idee von reichen Leuten, auch wenn es sich um eine indische Industriellenvilla handelt. Die ungewöhnliche Lösung entsprang der Fantasie der Kinder, die in diesem Haus leben sollten. Der indische Architekt Balkrishna Vithaldas (BV) Doshi hatte sie nach ihren Wünschen gefragt, als er einen Entwurf des berühmten Le Corbusier in die Praxis umsetzte. Schon früh wird hier das Arbeitsprinzip des Inders deutlich: Aus dem Leben heraus etwas schaffen und nicht den Leuten etwas abstrakt Ausgedachtes überstülpen. Am 24. Januar 2023 starb der Mann in Alter von 95 Jahren, der 2018 als erster Inder den renommierten Pritzker-Preis erhielt, eine Art Nobelpreis für Architekten. Zuvor hatte Dokumentarfilmer Jan Schmidt-Garre die Gelegenheit, mit einem der einflussreichsten Architekten der Gegenwart an die Stätten seiner prägendsten Gebäude zu fahren. Daraus wurde ein einfühlsames Porträt, in dem die Seelenverwandtschaft der beiden Künste, Film und Architektur sichtbar wird. Denn für Doshi bedeutet Baukunst auch das Erzählen einer Geschichte.
Eine Schule in Ahmedabad im indischen Bundesstaat Gujarat, dem Heimatort von Doshi: Der rüstige alte Mann sitzt am Zeichentisch und demonstriert der Kamera, wie er mit dem Entwurf des 1963 fertiggestellten Gebäudes begann. Er skizziert einen rechteckigen Kasten, eine ganz normale Schule. Wie abschreckend muss solch ein Klotz vor allem für die Kleinsten wirken? Also flacht er das Dach am Eingang ab. Und er verzichtet auf ewig lange Korridore. Stattdessen konzipiert er die Schule wie ein Dorf. In den kurzen Pausen laufen die Schüler zu einem anderen Haus, wo die nächste Stunde abgehalten wird. So kriegen sie beim Gehen ein Stück Natur mit: Vögel, Blumen, Wolken. Noch mehr Leben strömt in die Turnhalle, sie hat lediglich ein Dach, die Außenwände fehlen, bei den gegebenen klimatischen Bedingungen kein Problem.
Licht und Luft hereinlassen zählt zu den wichtigsten Prinzipien Doshis. Es spiegelt die Offenheit der Natur. » In Indien ist das Leben immer im Fluss «, sagt der Architekt, der nicht nur über Baukunst nachdenkt, sondern vor allem über die Menschen und ihre Bedürfnisse, die Erfordernisse des Daseins und die gegebenen lokalen Gegebenheiten. Daher benutzt er gern örtliches Material, wie zum Beispiel Ziegel. So wurde er zu einem Vorreiter ökologischen Bauens, lange bevor es diesen Begriff gab. Er weiß um die Hitze in Indien und richtet Gebäude so aus, dass sie keine elektrische Klimatisierung brauchen. Und er denkt in sozialen Kategorien. Schon als Grundschüler schrieb er in einem Aufsatz, er wolle Möbel entwerfen, die sich jedermann leisten kann. Daraus wurde – übersetzt ins Häuserbauen – das titelgebende Versprechen. Als er 1989 eine Sozialsiedlung in der Stadt Indore, plante, konzipierte er die einfachen Musterhäuser für die Armen so, dass die Bewohner sie jederzeit erweitern, ausbauen und ihren sich ändernden Bedürfnissen und Lebensverhältnissen anpassen können. Heute wohnen in dem Stadtteil 80.000 Menschen.
Regisseur Jan Schmidt-Garre folgt einem einfachen, aber ungeheuer wirkungsvollen Konzept. Beinahe chronologisch geht er mit Doshi dessen wichtige Projekte durch, lässt ihn Skizzen machen, Modelle verrücken, blendet Fotos von heute und früher dazwischen, geht schließlich mit Doshi an den Ort des Geschehens und spricht mit den Leuten, die heute dort wohnen oder arbeiten. Kameramann Diethard Prengel gießt das in ruhige, wohlkomponierte Bilder, die etwas von Doshis warmherzigem, freundlichem Wesen einfangen, von der Klarheit seiner Gedanken, von der Zugewandtheit dem Land und seinen Bewohnern gegenüber. Ebenso sehr wie ein Porträt seiner Bauten ist der Film ein Porträt seines Schöpfers geworden, eines sanften, für Versöhnung plädierenden Mannes. Dass er zugleich ein Requiem würde – Doshi starb kurz nach den Dreharbeiten – ist nicht zu erahnen. Einmal zeigt Jan Schmidt-Garre den Architekten bei der Meditation im Garten. Man darf die Geschmeidigkeit der alten Knochen bewundern, die noch immer den Yoga-Sitz schaffen.
Über das Porträt eines erstaunlich modernen und aktuellen Architekten hinaus zeichnet der Film zugleich das Bild eines Landes, in das sich der Regisseur nach eigener Auskunft schon vor zehn Jahren verliebte, als er seinen meditativen Film Der atmende Gott (2012) über das moderne Yoga drehte. Immer wieder schaut die Kamera in die Gesichter der Leute, gruppiert sie zu eindrucksvollen Kompositionen, die sie vor » ihren « Gebäuden zeigen. Auch wenn man Doshis Handschrift erkennt, etwa die Vorliebe für Tonnengewölbe und großzügige Balkone, so hat ihr Schöpfer doch längst sein Versprechen eingelöst. Und dem Land etwas gegeben, was lebt und sich verändert, statt bloß als Denkmal eines künstlerischen Ausdruckswillens in der Gegend zu stehen.

Björn Schneider, spielfilm.de, September 2023
Geistreiche, erhellende Doku über einen Pionier und Vordenker im Bereich des sozialen Bauens, mit klarem Blick und unaufgeregter Erzählweise realisiert.

Katja Kraft, Münchner Merkur, 15.9.23
Es ist bewundernswert, wie viele kluge Gedanken ein Mensch haben kann. Und noch viel bewundernswerter, mit wie viel Engagement dieser Mensch sie in die Tat umsetzt. Im Falle des Architekten Balkrishna Doshi muss man leider schreiben: umgesetzt hat. Denn im Januar ist der indische Visionär im Alter von 95 Jahren gestorben. » Architektur ist ein Dialog, eine Entdeckungsreise «, sagt Doshi. Genau wie dieser Film. Im Grunde ist er das philosophische Vermächtnis des Architekten, der einst im Pariser Büro für Le Corbusier gearbeitet hat. Spannende Anekdoten kann er davon erzählen, über das kunterbunte Team, das Architekten aus aller Welt vereinte. » Hier habe ich gelernt, dass man mit vielen vielen Menschen zusammenkommen muss, um sich gegenseitig zu bereichern. « Er selber ist sichtbar ein Menschenfreund. Und sein schönstes Projekt die Schule, die er so angelegt hat, dass die Kinder beim Wechsel der Klassenräume durch die Natur laufen müssen. » Dabei sehen sie die Wolken, die Vögel, die Blumen. Das tut ihnen gut. « Er fehlt.

Johannes Witt, Kinozeit, September 2023
Auch nach so vielen Jahren im gleichen Geschäft spricht Doshi im Film mit ehrlicher Begeisterung und jugendlichem Enthusiasmus über seine Inspirationen und Mentoren, die ihn über die Jahre maßgeblich geprägt haben. Eingefangen wird das Ganze in wunderschönen Bildern, die es nicht nur schaffen, das Erzählte einzufangen und zu unterstreichen, sondern auch die Architektur Doshis zum eigentlichen Protagonisten des Films zu erklären. Dabei wird auch ein gutes Gefühl dafür vermittelt, wie es sich anfühlen muss, selbst im Inneren dieser Gebäude zu sein.
Besonders Doshis Engagement im sozialen Wohnungsbau beeindruckt. So lehnte er hoch honorierte Prestigeprojekte ab, um seinem Herzen zu folgen und bezahlbare und vor allem effiziente, platzsparende Wohnungen zu bauen und deren Blaupausen anzufertigen, sodass diese nach Belieben von ihren Bewohnern erweitert werden können. Sein Charisma und Witz und seine teils humorvollen Anekdoten machen den Film zu einer Empfehlung nicht nur für Architekturinteressierte.

Esther Buss, Filmdienst, September 2023
Wenn Balkrishna Vithaldas Doshi über Architektur, Form, Licht und über Menschen in Räumen spricht, hat er gerne einen Stift zur Hand. Unmittelbar und mit nur wenigen Strichen materialisieren sich seine Gedanken auf dem Papier. In » Das Versprechen « von Jan-Schmidt-Garre sieht man den indischen Architekten oft über ein Zeichenbrett gebeugt. Doshi notiert Begriffe, zeichnet Grundrisse und kommt darüber ins lebendige Erzählen. Dabei ist das Zeichenbrett auch ein Ort imaginärer Gespräche. Das » historische « Objekt stand im Pariser Büro des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier, für den er Anfang der 1950er-Jahre arbeitete. Doshi nennt ihn offenherzig seinen » Guru «.
Von der modernen Formensprache von Le Corbusier und Louis Kahn ausgehend, für die er als junger Architekt tätig war, entwickelte er ein eigenes ästhetisches Vokabular, im Einklang mit lokalen (klimatischen wie sozialen) Bedürfnissen und indischen Traditionen. Der heute allgegenwärtige Begriff der Nachhaltigkeit findet sich bei Doshi schon in den 1960er-Jahren realisiert. Mit dem » Institute of Indology «, einer Einrichtung, die ein Archiv, ein Forschungszentrum und ein Museum umfasst, baute er das erste Gebäude, das durch seine nachhaltige Bauweise keine Klimaanlage brauchte.
Doshi, der 2018 mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet, zeigt sich im Film nie als Büromensch oder Architekturstar; mit fast kindlicher Begeisterung führt er durch das Areal seines 1956 gegründeten Architekturbüros, in dem man den Eingang nicht ohne Weiteres findet und erst einmal auf Umwege geschickt wird. In seinem Privathaus erklärt er die Einfachheit des Grundrisses; an der Hochschule für Architektur CEPT, die er Anfang der 1960er-Jahre in Ahmedabad gründete, besucht er mit ehemaligen Studierenden die Ateliers. Egal wo er auftaucht, wirkt Doshi stets lebendig und wach, erfahren und weise, aber doch irgendwie alterslos. Auf den Straßen des wuseligen Stadtviertels, wo er sein erstes Büro hatte, kennt man ihn; die Menschen bleiben stehen und machen Selfies.
Auch die Idee des sozialen Wohnens ist eng mit dem Namen Doshi verbunden. Im Jahr 1989 plante und baute er in Indore das Aranya Low Costing House, eine bezahlbare Wohnanlage mit Wohneinheiten, die auf Modifizierbarkeit angelegt waren. Im Film führen einige der Bewohner:innen durch ihre inzwischen um Treppen und Stockwerke erweiterten Häuser.
Vom hagiografischen Tonfall, der so vielen Künstlerporträts eigen ist, hebt sich » Das Versprechen « auf angenehme Weise ab. Der Mensch soll vor der Architektur schließlich nicht auf die Knie gehen, sondern darin leben und sich entwickeln. Eine im Grunde einfache Idee, die aber zu selten Umsetzung erfährt.

Arcguide+ September 2023
In langen Einstellungen zeigt der Film » Das Versprechen « von Jan Schmidt-Garre das Werk des kürzlich verstorbenen Pritzker-Preisträgers Balkrishna Doshi und vermag es, wichtige Gestaltungsmomente seines Schaffens – den Fokus auf die Erschließung von Raum, auf flexible Strukturen und auf das Licht – filmisch nachzuzeichnen. Der Architekt und Stadtplaner wurde 1927 in Pune in eine Tischlerfamilie hineingeboren. Nach seinem Architekturstudium in Bombay und London begann er 1951 für Le Corbusier zu arbeiten, der ihn stark prägte. 1956 gründete Doshi sein eigenes Büro, das er zuletzt mit seiner Tochter und seiner Enkeltochter leitete. Das sind die wenigen biografischen Informationen, die der Film dem Publikum in kleinen Texteinschüben mitteilt; davon abgesehen sprechen die Bilder und der Porträtierte selbst. Projekte wie die Gesamtschule Shreyas in Ahmedabad von 1963, das Indian Institute of Management in Bangalore von 1977 bis 1992, sein Büro Sangath in Ahmedabad von 1980 und die Siedlung mit Sozialwohnungen in Indore von 1989 zeigen das Bestreben seiner Arbeit. Seine Bauten fördern die Gemeinschaft über soziale Schichten hinweg, berücksichtigen nicht nur die Lebensrealität der Bewohnenden, sondern auch ökologische Faktoren wie das heiße Klima Indiens: Komplexe Strukturen von überdachten Gängen und Innenhöfen provozieren Begegnungen, spenden zugleich Schatten und leiten Luftströme; sie erlauben Um- und Anbau für kommende Generationen und veränderte Bedürfnisse; sie bieten Lebensqualität auch für weniger Vermögende.

Alexandra Wach, Monopol, September 2023
Das Lächeln des Beton
Diese jugendlich funkelnden Augen im Gesicht eines 95-Jährigen vergisst man nicht so schnell. Wenn Balkrishna Vithaldas » BV « Doshi vergnügt auf einer Schaukel sitzt und sich von Kindern, die in seiner Architektur aufwachsen, die Durchlässigkeit des Areals für den sich ausweitenden Urwald erklären lässt, dann kann man kaum glauben, dass dieser alterslose Enthusiast kurz nach den Dreharbeiten zu » Das Versprechen « in Ahmedabad verstorben ist. Hier entstanden seit den 1950er-Jahren seine wichtigsten Bauwerke: Siedlungen, Wohnhäuser, Verwaltungs- und Kultureinrichtungen. Regisseur Jan Schmidt-Garres, der schon Porträts über Künstler wie Andreas Gursky, Olafur Eliasson oder John Baldessari drehte, nähert sich diesem Werk, indem er sich mit Biographischem nicht lange aufhält und den stets beneidenswert gelassenen Urheber im neuen Film "Das Versprechen" über seine Arbeit reden lässt.
Immer wieder verschriftlicht Doshi seine Gedanken parallel auch auf dem Papier eines Zeichenbretts. Dann sagt er, dass Architektur stets eine Geschichte erzählt. Dass sie ein lebendiger Organismus ist, der jede denkbare Form annehmen kann. Oder dass er schon als Kind Tische und Stühle herstellen wollte, die in jede Wohnung passen. Zu Doshis bescheidenen Auftritten jenseits von Starallüren passt, dass sein Privathaus durch einen schlichten Grundriss besticht. Oder dass er auf den hektisch pulsierenden Straßen des Stadtviertels, wo sich sein erstes Büro befand, immer noch erkannt und um ein Selfie gebeten wird.

—— english version ——

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 14.9.23
A cinema of natural beauty, of serenity. The Indian architect Balkrishna Doshi, born in 1927 (and died in January this year) tells Jan Schmidt-Garre about his life and work, visits the buildings he designed since the sixties, and makes us feel how architecture serves people’s lives, through sustainability and social housing. His buildings are earth-colored, assembled like building blocks from individual units. Each class has its own building, he explains of his first project, a Montessori school, so that when students change classrooms, they see nature outside and the sky. Architecture, he quotes his teacher Le Corbusier, on whose Indian projects he had worked, is the wise, correct and splendid play of forms in the light. Which is also a wonderful definition for cinema.

Additional

Posters » The Promise «


Quotes

Whenever you are in doubt, or when the self becomes too much with you, apply the following test: Recall the face of the poorest and the weakest man whom you may have seen, and ask yourself if the step you contemplate is going to be of any use to him. Will he gain anything by it? Will it restore him to a control over his own life and destiny?
Mahatma Gandhi, August 1947

Texts

"The Promise – Architect BV Doshi" – Interview

Jan Schmidt-Garre in conversation with Ritupriya Basu, August 2022
(Zur deutschen Fassung herunterscrollen)

How did the idea for the documentary come about? Was it something that was brewing for a long time?

I have been very interested in architecture all my life and know nothing better than looking at rationalist factories in Italy or baroque churches in Bavaria on holiday. One day I was jogging in Munich’s Olympic Village, one of the few large post-war housing projects in Germany that really works and is accepted by the people. And then I thought to myself: you’re so interested in architecture, but you’ve yet to make a film on an architectural theme. Well, unfortunately there’s no one I’m interested in, I replied to myself. Yes, there is: B V Doshi! The next day I wrote to him, and then everything happened very quickly.

What drew you to B V Doshi’s work? When was the first time you saw/experienced something designed by Doshi?

I knew photos of the Institute of Indology and other early works like Premabhai Hall, which impressed me in their bold use of concrete. I was also fascinated by the interpenetration of nature and architecture in the Indian Institute of Management in Bangalore, where he planted 300 trees in the middle of the university. But the most exciting things for me were the housing projects for the economically challenged, especially the revolutionary "Aranya" housing project in Indore. I was very intrigued to be able to visit all these buildings together with Doshi and to learn first-hand about the ideas that inspired the structures. And then Doshi also forms a bridge to modernity, to the heroes Louis Kahn and even Le Corbusier, with whom he worked extremely closely. And thirdly, perhaps most importantly, I learned from interviews and books what a great thinker on architecture Doshi is. Thinking about the laws of art has accompanied me my whole life and also influenced my work, which can be seen in films about the conductor Sergiu Celibidache and the artist John Baldessari.

What kind of challenges did you face while making this documentary?

I had intense experience of filming in India from my major film on the origins of modern yoga, which I shot from 2007 to 2011, "Breath of the Gods", and which took me to India eleven times. The filming was therefore very harmonious and uncomplicated, which is also due to B V Doshi’s incredible kindness. We actually had to learn above all to protect him from his own enthusiasm and to make sure he got rest breaks between the individual, very demanding, scenes. We settled into a good rhythm after a few days.

And while editing it?

Right at the beginning of the film, Doshi says: "Architecture is storytelling." This is also the most important task in editing, not only with regard to the film as a whole, but with every single chapter. In June I was on the Greek island of Hydra for the first time. I can tell you the particularity of Hydra like this: "The mayor of Hydra has banned plastic chairs, drink vending machines and advertising posters on his island. This leads to a very beautiful, homogeneous visual appearance." But I can also tell the story like this: "When I arrived in Hydra, the very first harbour bar was so beautiful and inviting that I immediately wanted to sit down inside. The next one was even nicer. Why is that, I asked myself, until I realised: there are no plastic chairs, no vending machines, no advertising posters. Later I learned that the strict and visionary mayor of Hydra banned these things a few years ago. What a simple but effective measure!" The second version is not only more vivid and illustrative; I let the listener – in the film, the viewer – take my position. Instead of him just noting the facts, he experiences the situation as I do. The emotional impression is much stronger and more lasting. Behind each of Doshi’s buildings there is a story that I want the audience to experience, and making that possible was the real task in editing. Today, a film no longer has to convey facts; that’s what the internet is for. But it can create deep experiences, and that is much more important.

However, the second version is also more than twice as long.

That’s right. You need more time when you work like that, or you have to limit yourself in terms of content. When I tell my Hydra story to a friend in a café, he may get stuck on one of my words and digress. He follows a side thread of my story and misses the main point. In editing, it’s all about anticipating the viewer’s perception, breaking down any resistance, so that what is meant hits his consciousness completely unclouded. To do that, you often have to take detours, which takes time. Great directors like Hitchcock always work with redundancies. He says the decisive thing two or three times. And vice versa: If you miss a dialogue in a Hitchcock film because you got stuck on a detail of the image, you can be sure that the image was important and the dialogue unimportant.

Tell me about your experience of visiting the many buildings and campuses that Doshi designed, along with the architect himself, and others that were designed by Corbusier and Kahn?

It was very gratifying to visit these legendary buildings with B V Doshi, especially because his actual presence in the buildings brought back very vivid memories for him. Our weeks together, I think, were a journey through time for him, where he relived the most important stages of his life. He didn’t talk about the architecture and its background retrospectively, but in the present tense. And we were all impressed by his memory: he remembered the name of every construction manager and structural engineer!

Are there any anecdotes from the project that you’d like to share?

Maybe this: In film, unfortunately, you often have to wait. We shot with a relatively large expenditure, and the wonderful cameraman Diethard Prengel, with whom I had also shot "Breath of the Gods" in India, lit the scenes very conscientiously. That takes time! Doshi never got impatient or bored because he has the wonderful gift of curiosity. He watched the lighting crew at work and was interested in every little detail.

These buildings of Doshi’s have been photographed extensively. When you began the project, was there a specific way you wanted to approach the filming?

Two things quickly became clear to me: firstly, Doshi’s architecture must not be shown silently. It needs the noise of the streets of Ahmedabad, the birdsong, the calls of the peacocks. And secondly, Doshi is known for building for the people and not in order to realize himself as an artist with formal ideas. And so I wanted the buildings to be shown in interaction with their inhabitants and users, not as sculptures in a coffee-table book.

What was your biggest takeaway from the experience?

During the work, it was Doshi’s generosity, kindness and hospitality. In editing, as I listened to his thoughts over and over again and was faced with the task of compressing them to their essence (without losing sight of the film as a vibrating entity and becoming didactic), it was this idea above all that permeates all his work: When Doshi tackles an architectural task, he develops a world view. He does not design the formally successful campus, but imagines the ideal learning and living reality of students and professors. What should the ideal university look like? How do students enter the campus, what are their paths that they walk through everyday? Where do their eyes linger and give them new ideas? Where do they happen to meet a lecturer and have an unplanned conversation, perhaps even missing their class? Doshi then tries to give form to this ideal everyday life of a student or professor. Unlike modernism with its idea of the completed masterpiece, Doshi develops open structures that adapt to the people who live in them. And from this, a deeper beauty then emerges!

„Das Versprechen – Architekt BV Doshi“ – Interview

Wie ist die Idee zu diesem Dokumentarfilm entstanden? War es etwas, das sich schon lange anbahnte?
Ich habe mich mein Leben lang sehr für Architektur interessiert und kenne nichts Schöneres, als in den Ferien rationalistische Fabriken in Italien anzusehen oder Barockkirchen in Bayern. Eines Tages war ich Joggen im Münchner Olympiadorf, einem der wenigen großen Wohnbauprojekte der Nachkriegszeit in Deutschland, das wirklich funktioniert und von den Menschen angenommen wird. Und da dachte ich mir: Du interessierst dich so sehr für Architektur, aber hast noch einen Film zu einem Architekturthema gemacht. Nun, es gibt ja leider niemanden, der mich interessiert, antwortete ich mir. Doch, einen gibt’s: Balkrishna Doshi! Am nächsten Tag schrieb ich ihm, und dann ging alles ganz schnell.

Wie sind Sie auf die Arbeit von Balkrishna Doshi aufmerksam geworden? Wann haben Sie das erste Mal eines seiner Gebäude gesehen?
Ich kannte Fotos des Institute of Indology und anderer früher Arbeiten wie der Premabhai Hall, die mich in ihrem kühnen Umgang mit Beton beeindruckt haben. Dann war ich fasziniert von der Durchdringung von Natur und Architektur im Indian Institute of Management in Bangalore. Aber das spannendste waren für mich die Sozialbauten, vor allem das revolutionäre Projekt „Aranya“ in Indore. Das alles zusammen mit dem Architekten besuchen zu können und von ihm zu erfahren, welche Gedanken dahinterstehen, hat mich sehr interessiert. Und dann bildet Doshi ja auch noch eine Brücke in die Moderne, zu den Heroen Louis Kahn und sogar Le Corbusier, mit denen er extrem eng zusammengearbeitet hat. Und drittens, vielleicht am wichtigsten: aus Interviews und Büchern erfuhr ich, was für ein großer Denker der Architektur Doshi ist. Das Nachdenken über die Gesetze der Kunst hat mich mein Leben begleitet und auch meine Arbeit geprägt, was man an Filmen über den Dirigenten Sergiu Celibidache und den Künstler John Baldessari sehen kann.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei den Dreharbeiten zu diesem Dokumentarfilm?
Ich hatte von meinem großen Film über die Ursprünge des modernen Yoga, den ich von 2007 bis 2001 gedreht habe, und der mich elfmal nach Indien geführt hat, intensive Erfahrungen mit dem Drehen in Indien. Die Dreharbeiten waren daher sehr harmonisch und unkompliziert, was auch an der unglaublichen Liebenswürdigkeit Doshis liegt. Wir mussten eigentlich vor allem lernen, ihn vor seinem eigenen Enthusiasmus zu schützen und sicherzustellen, dass er Ruhepausen zwischen den einzelnen, sehr intensiven, Szenen bekommt. Das hat ich nach wenigen Tagen zu einem guten Rhythmus eingependelt.

Und beim Schnitt?
Gleich am Anfang des Films sagt Doshi: „Architecture is storytelling.“ Das ist die auch wichtigste Aufgabe beim Schnitt, nicht nur hinsichtlich des Films als Ganzem, sondern bei jedem einzelnen Kapitel. Im Juni war ich zum ersten Mal auf der griechischen Insel Hydra. Das besondere an Hydra kann ich Ihnen so erzählen: „Der Bürgermeister von Hydra hat auf seiner Insel Plastikstühle, Getränkeautomaten und Werbeplakate verboten. Das führt zu einem sehr schönen, geschlossenen Erscheinungsbild.“ Ich kann die Geschichte aber auch so erzählen: „Als ich in Hydra ankam, war gleich die erste Hafenkneipe so schön und einladend, dass ich mich sofort reinsetzen wollte. Die nächste war noch schöner. Woran liegt denn das, fragte ich mich, bis ich merkte: es gibt hier weder Plastikstühle, noch Getränkeautomaten, noch Werbeplakate. Später erfuhr ich, dass der strenge und visionäre Bürgermeister von Hydra diese Sachen vor ein paar Jahren verboten hat. Was für eine einfache aber wirkungsvolle Maßnahme!“ Die zweite Version ist nicht nur lebendiger und anschaulicher; ich lasse den Zuhörer – im Film den Zuschauer – meine Position einnehmen. Statt dass er nur die Fakten zur Kenntnis nähme, erlebt er die Situation wie ich. Der emotionale Eindruck ist dadurch viel stärker und nachhaltiger. Hinter jedem Gebäude Doshis steckt so eine Geschichte, die ich die Zuschauer erleben lassen möchte, und das zu ermöglichen, war die eigentliche Aufgabe bei der Montage. Ein Film muss heute keine Fakten mehr vermitteln, dafür gibt es das Internet. Aber er kann tiefe Erlebnisse erzeugen, und das ist viel wichtiger.

Die zweite Version ist allerdings auch mehr als doppelt so lang.
Das stimmt. Man braucht mehr Zeit, wenn man so arbeitet, oder muss sich inhaltlich beschränken. Wenn ich einem Freund im Café meine Hydra-Geschichte erzähle, dann kann es passieren, dass er an einem meiner Worte hängenbleibt und gedanklich abschweift. Er verfolgt einen Seitenstrang meiner Geschichte und verpasst die Hauptsache. Beim Schneiden geht es die ganze Zeit darum, die Wahrnehmung des Zuschauers zu antizipieren, jeden Widerstand abzubauen, so dass das Gemeinte ganz ungetrübt auf sein Bewusstsein trifft. Dazu muss man oft Umwege gehen, was Zeit kostet. Große Regisseure wie Hitchcock arbeiten immer mit Redundanzen. Das Entscheidende sagt er zwei, drei Mal. Und umgekehrt: Wenn einem bei Hitchcock ein Dialog entgeht, weil man an einem Bild-Detail hängengeblieben ist, kann man Gift darauf nehmen, dass das Bild wichtig und der Dialog unwichtig war.

Wie lange hat es gedauert, bis alles zusammenkam?
Wir haben im Herbst 2019 etwas drei Wochen lang in Ahmedabad, Indore und Bangalore gedreht und wollten 2020 wiederkommen und weitermachen. Dann kam uns Covid dazwischen. Als die Zwangspause immer länger wurde, habe ich zu meiner Editorin gesagt: Lass uns doch mal anfangen, mit dem bisherigen Material zu arbeiten und zu sehen, wie weit wir damit kommen. Zu meiner Überraschung und Freude stellte sich heraus, dass wir schon alles hatten, was wir einen großen und reichhaltigen Film benötigten.

Wie war es für Sie, die vielen Gebäude, die Doshi entworfen hat, mit ihm zusammen zu besuchen?
Das war sehr beglückend, vor allem auch deswegen, weil die tatsächliche Präsenz bei ihm sehr lebendige Erinnerungen geweckt hat. Unsere gemeinsamen Wochen waren für ihn, glaube ich, eine Zeitreise, bei der er die wichtigsten Stationen seines Lebens nochmal durchlebt hat. Er hat nicht retrospektiv über die Architektur und ihre Hintergründe gesprochen, sondern im Präsens. Und wir waren alle beeindruckt von seinem Gedächtnis: Der Name jedes Bauleiters und Statikers fiel ihm ein!

Gibt es eine Anekdote von den Dreharbeiten, die Sie erzählen möchten?
Vielleicht dies: Beim Film muss man ja leider oft warten. Wir haben mit relativem großem Aufwand gedreht, und der wunderbare Kameramann Diethard Prengel, mit dem ich auch „Breath oft he Gods“ in Indien gedreht hatte, hat die Szenen sehr gewissenhaft ausgeleuchtet. Das dauert! Doshi wurde nie ungeduldig und hat sich nie gelangweilt, weil er die wunderbare Gabe der Neugier besitzt. Er hat den Beleuchtern bei ihrer Arbeit zugesehen und war interessiert an jedem kleinen Detail.

Diese Gebäude von Doshi sind ausgiebig fotografiert worden. Als Sie mit dem Projekt begannen, gab es da eine bestimmte Art und Weise, wie Sie die Dreharbeiten angehen wollten?
Zwei Sachen wurden mir schnell klar: erstens, dass Doshis Architektur nicht stumm gezeigt werden darf. Sie braucht den Lärm der Straßen von Ahmedabad, die Vogelstimmen, die Rufe der Pfauen. Und zweitens ist Doshi ja bekannt dafür, dass er für die Menschen baut und nicht, um als Künstler Formideen zu verwirklichen. Und daher wollte ich, dass die Gebäude in der Interaktion mit ihren Bewohnern und Benutzern gezeigt werden und nicht als Skulpturen in einem Coffee table book.

Was ist das Wichtigste, das Sie aus dieser Erfahrung mitgenommen haben?
Während der Arbeit waren es Doshis Großzügigkeit, Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft. Beim Schneiden, als ich seine Gedanken wieder und wieder gehört habe und vor der Aufgabe stand, sie auf ihre Essenz zu komprimieren (ohne dabei den Film als ein sich schwingendes Gebilde aus den Augen zu verlieren und didaktisch zu werden) war es vor allem diese Idee, die seine ganze Arbeit durchdringt: Wenn Doshi ein architektonische Aufgabe angeht, entwickelt er ein Weltbild. Er entwirft nicht den formal gelungenen Campus, sondern er imaginiert die ideale Lern- und Lebensrealität der Studenten und Professoren. Wie sollte die ideale Universität aussehen? Wie betreten die Studenten den Campus, welche sind ihre Wege? Wo bleibt ihr Blick hängen und bringt sie auf neue Ideen? Wo treffen sie zufällig auf einen Dozenten und führen ein ungeplantes Gespräch und verpassen so vielleicht sogar ihr Seminar? Diesem idealen Alltag eines Studenten oder Professors versucht Doshi dann, eine Form zu geben. Anders als in der Moderne mit ihrer Idee des abgeschlossenen Meisterwerks entwickelt Doshi offene Strukturen, die sich dem Menschen anpassen, der in ihnen lebt. Und daraus entsteht dann eine tiefere Schönheit!